Die Internationale Liga für Menschenrechte gratuliert Dr.
Rolf Gössner
Worte der Huldigung
Von Prof. Dr. Fanny-Michaela Reisin
Im Namen des
Vorstands, der Mitglieder und sicher aller Freunde und Freundinnen der Internationalen
Liga für Menschenrechte, Deutsche Sektion der Féderation des Ligues des Droits
de l‘Homme sowie der Association Européenne Pour la Defense des Droits de
l’Homme, gratuliere ich Dir, lieber Vizepräsident und Rechtsanwalt, verehrter
kritischer Publizist und Grundrechtsanalyst, gefragter Politikberater und
Menschenrechtsaktivist von ganzem Herzen anlässlich der Verleihung des Kölner
Karls-Preises, der von der Neuen Rheinischen Zeitung gestiftet wurde, und in
diesem Jahr zum dritten Mal verliehen wird.
Wir sind stolz
auf Dich! Wir bewundern nicht erst seit dem letzten Jahr– das weißt Du – Deinen
Mut. Es machen sich möglicherweise nicht viele ZeitgenossInnen klar, welch
starke Nerven es braucht, allein schon, um „Geheimdienstexperte“ zu werden.
Diese Titulierung las ich neulich in einem Steckbrief „Dr. Rolf Gössner“.
Du bist aber
nicht nur Geheimdienstexperte. Du fändest es sicher zu langweilig, die geheimen
Dienste bloß zu erforschen, sie wissenschaftlich zu sezieren und die Befunde
über ihre Organisations- und Funktionsweise als Expertisen zu publizieren.
Du hast Dich
vielmehr, und das macht Deinen Zweitjob, oder ist es Dein Erstberuf? so gefährlich,
Du hast Dich, auf die „De-maskierung“ dieser Dienste spezialisiert.
Weit und breit
der Einzige, der die kriminellen Energien jener, vom Staat bezahlten, als
„Verfassungs“-, „V“-Schutz, oder – ganz kurz – „VS“ bezeichneten, vorgeblich
öffentlich und doch nie offen, sondern immer verdeckt, versteckt aus dem
Hinterhalt agierenden Agentur unentwegt ans Tageslicht bringt, vermochtest Du
lange, lange bevor wir von jenem NS-Untergrund hörten, der Deutschland
durchziehe, unser aller Unbehagen, auf die Frage zu lenken, ob das „V“ im Namen
des besagten Geheimdienstes gar nicht für „Verfassung“, sondern vielmehr für
„Verbrechen“ und „Verbrecher“ stehe.
Wie recht Du im
Nachhinein hattest, unsere Sorgen nicht zu beschwichtigen, sondern mit jeder
De-Maskierung eher zu verstärken und auf jene unbequeme Fragen zu lenken, die
uns bewogen, nicht von jenem Geheimdienst abzulassen und wachsam zu bleiben,
ist nun allenthalben klar geworden. Jene, die an höchster Stelle berufen wären,
seine Machenschaften zu kontrollieren, sprechen nun, entsetzt über die
Aufdeckung von zehn abscheulichen Mordfällen, von „Rechtsterrorismus“. Dabei
müssten sie doch wissen, dass mit plakativen Wortschöpfungen dem Grundübel
nicht beizukommen ist.
Inzwischen
denken Untersuchungsausschüsse auf Landes- und Bundesebene darüber nach, ob es
sich beim VS nicht um einen vom Staat bezahlten Verbrechens- und Verbrecherschutz
handelt. Das Problem, dass diese Ausschüsse zum Scheitern verurteilt sind, weil
Geheimdienste ihre „Dienste“ eben qua Definition geheim halten, ist den in
Sachen Demokratieschutz einschlägig erfahrenen Persönlichkeiten des
öffentlichen Lebens sicher schon aufgestoßen. Thematisiert wird es nicht. Eher
tabuisiert. Die Unbeholfenheit im Umgang mit dem VS soll nicht offenkundig
werde.
Du de-maskiert
indes, in der Dir eigenen stillen, vielleicht nicht ganz furchtlosen, und doch
beherzten Entschlossenheit, die Dir eingedenk der Befunde über die
Ungeheuerlichkeiten, ja, über regelrechte Verbrechen im Namen der Verfassung
als Rechtsanwalt so selbstverständlich erscheint. Uns verlangt Deine
Zivilcourage und Prinzipienfestigkeit höchste Anerkennung ab.
Dir ist es
ernst mit der demokratischen Verfassung. Daran besteht kein Zweifel. Wenn der
Buchstabe „V“ und selbst das Wort „Verfassung“ von denen, die sie in dieser
Republik zu schützen vorgeben, nicht so beschädigt wäre, stünde Dir die
Titulierung „Verfassungsanwalt“ am besten an.
Es ist nicht
der rechte Ort und Zeitpunkt hier und heute die von Dir aufgedeckten Straftaten
aufzuzählen, die von jenen, so genannten V-Männern – (das Wort Vertrauen, will
mir nicht über die Lippen gehen) in staatlichen Diensten im Laufe der Jahre
begangen wurden.
Wir sind uns in
der Liga darüber einig: Naziverbrechen und völkischer Rassismus in staatlichen
Diensten bleiben Naziverbrechen und völkischer Rassismus! Auch von V-Männern
des VS begangen, müssen sie geahndet werden.
Auf Deine
Empfehlung hin, gingen wir Ende letzten Jahres dazu über, jenen staatlichen
Dienst in Anführungsstrichelchen zu schreiben oder gar nicht von
„Verfassungsschutz“, sondern nur noch vom „innenministerialen Sicherheits- und
Geheimdienst (ISGD)“ zu sprechen.
Nach der
Aufdeckung der unsäglichen Nazimordserie – Du hattest dies alles schon lange
angemahnt und irgendwie auch geahnt, dass es sich so oder so ähnlich mit den
V-Männern verhalten müsse –, sagtest Du mir öfter, Du hättest Dir immer
gewünscht, dass der ISGD im großen Maßstab überführt werde und habest stets auf
die Abschaffung dieser kriminellen Agentur hingewirkt, damit ein transparenter,
wirklicher Schutz der Demokratie möglich werde. Und dann fügtest Du sichtlich
bestürzt hinzu, Du könnest Dich aber jetzt so gar nicht über diese bitteren Aufdeckungen
freuen, hättest Dir nie träumen lassen, dass die allgemeine Überführung des VS
so ein Albtraum sein würde.
Ich habe aus
Deinen Worten gehört, dass Dein Gewissen Dich plagte, nicht mehr geschrieben
und noch lauter gegen diese, höchst virulente rechte Gefahr im Staatsgewande
angeredet zu haben, als Du dies eh schon getan hattest.
Es ist ja nicht
nur und nicht in der Hauptsache die Gefahr von Rechtsextremen, wie uns immer
suggeriert wird, damit unser Blick von jenem in staatlichem Auftrag agierenden
VS in der Mitte der Gesellschaft ab- und auf ihre äußersten Ränder hingelenkt
werde. Es ist, das weißt Du, lieber Rolf, am besten, die im Gewande des
„Verfassungsschutzes“ daher kommende von Staats wegen genährte Gefahr des
Nazismus und völkischen Rassismus, die uns mit größter Sorge erfüllen sollte.
Ich denke, die
heutige Verleihung des Karls-Preises, unsere aller Anwesenheit hier im Kölner
Weißen Holunder sowie die vielen Einladungen, die Du jetzt – immerhin auch von
etablierten Medien wie „Die Zeit“, dem ZDF und vom WDR erhältst, um
öffentlichkeitswirksam vor dieser und anderen Gefährdungen der Verfassung zu
warnen, sind beredte Zeugnisse: Du hast Dir große Verdienste in Sachen Schutz
der Demokratie und Verfassung erworben!
Es ist, wenn
das Haupthaar erste Grautöne zeigt und schütter wird, durchaus an der Zeit, hin
und wieder inne zu halten, Getanes und Geleistetes Revue passieren zu lassen
und zu sagen: Es war nicht genug, was ich tun konnte, es war aber gut, dass ich
tat, was ich zu tun vermochte.
In diesem Sinne
wünsche ich Dir und uns, lieber Verfassungsanwalt (1), gutes Gelingen bei allem,
was Du förderhin zu de-maskieren, zu überführen und unschädlich zu machen
planst! (PK)
(1) Es wäre ja
gelacht, wenn wir die wichtigen Wörter und Institute der demokratischen und sozialen
Bewegungen ohne Weiteres oder gar widerstandslos her gäben.
Wir halten den
Begriff „demokratische Verfassung“ in Wort und Sinn fest! Und wir verteidigen
ihn weiterhin!
Es war übrigens
immerhin kein geringerer als der alte Karl Marx, der – ich glaube im 18. Brumaire
oder in den Klassenkämpfen in Frankreich – davon sprach, dass eben die zur demokratischen
Verfassung zugehörige bürgerliche Demokratie(2) dem Wasser gleiche, in dem der
Revolutionär schwimme.
(2) Gleichwohl
war es mein bewusster Entschluss, hier nicht über die Einlassungen des Namensgebers
für den heute an Dich verliehenen Preis zu den bürgerlichen Rechten oder
politischen Freiheiten und schon gar nicht über seine geringschätzigen
Äußerungen zu den Menschenrechten zu räsonieren.
Deine
kritischen Publikationen und vor allem Deine rückhaltlose Konsequenz beim
De-Maskieren, er bezeichnete dergleichen altmodisch als „Entlarven“, hätten
Dir sicher ein ermutigendes Augenzwinkern beschert.
Prof. Dr.
Fanny-Michaela Reisin ist Präsidentin der Deutschen Sektion der Internationalen
Liga für Menschenrechte
Online-Flyer
Nr. 355 vom 23.05.2012
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17833